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Auf Staatenlos berichte ich nicht nur über Fakten, sondern lasse auch mal Meinungen mit einfließen. Heute möchte ich den Gastautor Christian Funke zu Wort über ein Thema – Schengen – kommen lassen, das vielen Leuten sehr viel Kummer bereitet.

Während es viele meiner Leser nicht direkt betrifft, habe ich doch auch immer wieder Kunden mit Ehepartnern außerhalb der EU. Oder Leute, die sich tatsächlich dazu entschließen ihre EU-Staatsbürgerschaft abzugeben. Diese müssen nämlich einiges beachten.

In jedem Fall ist es jedoch wertvoll einmal über ein weiteres unlogisches System nachzudenken, dass uns die Europäische Union beschert hat. Gerade im Anbetracht der Europäischen Flüchtlingskrise sollte man denn sehen, dass dies eines der Gründe für die wesentlich leichtere illegale Einwanderung sein kann. Denn Schengen und Niederlassungsfreiheit sind längst nicht so synonym wie viele glauben. Christian kann dies aus eigener Erfahrung erläutern.

Auf diesem Bild ist eine Landkarte von Europa, wo die Schengenstaaten eingezeichnet und aufgelistet sind

Schengen – das völlig durchlöcherte und unlogische Visa „System“ (von Teilen) der EU: Tatsachen, angereichert mit ein paar persönlichen Erfahrungen

Dieser Artikel behandelt ausschließlich Visa, welche zu Besuchsreisen beantragt werden. Visa zur endgültigen Einwanderung wären ein komplett anderes Thema.

Zunächst muss man erkennen, wofür Visa im Rahmen von Besuchsreisen ursprünglich gedacht waren: Unkontrollierte und illegale Einwanderung soll verhindert werden. Entsprechend sollte sich jeder Bürger vor einer Reise in ein fremdes Land zunächst bei der Botschaft des Wunsch-Reiselandes anmelden, sich vorstellen und für die Einreise „bewerben“. Wurde man entsprechend festgelegter Kriterien für würdig befunden, bekam man das Visum. Eines der wichtigsten Kriterien ist international die sogenannte „Rückkehrwilligkeit“.

 

Plant der Antragsteller tatsächlich nur eine temporäre Reise, oder möchte die Person Einreisen um (illegal) zu bleiben? Heutzutage ist natürlich auch der Terrorismus ein maßgeblicher Aspekt.

 

Die westliche Welt hat sich im Großen und Ganzen gegenseitig weitgehende Visafreiheit eingeräumt. Mit einem „westlichen“ Pass kann man viele Länder mit wenigen oder gar ohne Formalitäten bereisen.

Mit diesen Grundsätzen im Hinterkopf schauen wir uns nun die Praxis in der EU an. In der EU müssen zwei Konzepte unterschieden werden: Die „Freizügigkeit“ und das „Schengener Abkommen“. Diese beiden werden oft fälschlich für das gleiche gehalten; dabei haben diese zwei Konzepte und Gesetze überhaupt nichts(!) miteinander zu tun:

Die Freizügigkeit regelt, dass EU-Bürger sich in der gesamten EU nicht nur bewegen dürfen (als Reise), sondern auch niederlassen dürfen (endgültiger Zuzug), arbeiten dürfen, und grundsätzlich in allen Belangen vom „Gaststaat“ nicht gegenüber Einheimischen benachteiligt werden dürfen. Dies schließt insbesondere Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten nicht aus. Man zeigt kurz den EU-Ausweis vor, dann ist unbürokratischer Zugang zum Gastland gewiss.

Das Schengener Abkommen regelt, dass an den Binnengrenzen der Teilnehmerländer nicht mehr systematisch an der Grenze kontrolliert wird. Es lohnt sich das genau aufzudröseln:

„Nicht systematisch“ bedeutet: es darf sehr wohl an der Grenze kontrolliert werden, nur halt nicht immer und nicht jeder Reisende
„Nicht an der Grenze“ bedeutet: es darf sehr wohl sogar systematisch kontrolliert werden, nur eben nicht unmittelbar an der Grenze

In der Praxis kann man, von gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen, tatsächlich meistens von einem Schengen-Land ins andere übertreten ohne kontrolliert zu werden.

Mit diesen 3 Definitionen:

  • wozu braucht man, wenn überhaupt, normalerweise ein Visum?
  • Freizügigkeit
  • Schengen

erkennt der geneigte Leser einen Widerspruch:

 

Man beantragt ein Visum um Zugang zu einem Land zu bekommen; insbesondere um die Grenze passieren zu dürfen. Was aber, wenn an der Binnengrenze (aufgrund von Schengen) nicht kontrolliert wird?

 

Folgerichtig haben sich die Teilnehmerländer des Schengener Abkommens nicht nur auf die Abschaffung ihrer Binnenkontrollen geeinigt, sondern auch darauf ein gemeinsames Visum herauszugeben: Ein „Schengen-Visum“ welches dann -logisch korrekt- Zugang zu allen Teilnehmerländern erlaubt.

Was soweit positives erreicht wird:
EU Bürger können sich, trotz Grenzkontrollen, aufgrund der Freizügigkeit in der gesamten EU ohne große Formalitäten bewegen und sich sogar niederlassen (Personalausweis genügt).

Innerhalb der Schengen-Länder profitieren sowohl EU-Bürger als auch visumspflichtige Drittstaater vom Wegfall der Schlagbäume. Man steht nicht an jeder Grenze im Stau, sondern fährt einfach weiter.

Visumspflichtige Ausländer brauchen für eine Europa-Rundreise nicht mehr für jedes kleine Land ein extra Visum. Der gesamte Schengen-Raum kann mit nur einem Visum bereist werden, was die Formalitäten stark vereinfacht.

Für EU-Bürger ist die Sache hier abgeschlossen und insgesamt meines Erachtens tatsächlich größtenteils positiv. Kommen wir nun jedoch zu den praktischen Stolperfallen welche die Bürokraten für „Drittstaatler“ eingebaut haben.

 

Da EU-Bürger mit diesen Problemen nie konfrontiert werden, sind den meisten die Probleme nicht bewusst. Man stelle sich jedoch vor man kommt aus einem Land, mit dessen Reisepass man für die meisten Länder der Welt ein Visum benötigt:

 

Du willst nach Kanada? Dann beantragt man das nötige Visum -selbstverständlich- bei einer kanadischen Botschaft. Du willst nach Japan? Das nötige Visum gibt es -selbstverständlich- bei der japanischen Botschaft. Diese Liste könnte man fortsetzen: Thailand? USA? Australien? Neuseeland…

 

Stolpersteine für Nicht-EU-Bürger

Willst Du jedoch die EU besuchen? Ich empfehle Zeit für ein kleines Studium einzuplanen! Jeder Fehler kann zu illegaler Einreise oder illegalem Aufenthalt führen, also pass‘ lieber genau auf, sonst endet der Spaß in einer Abschiebezelle:

Wer das Vereinigte Königreich, Irland, Bulgarien, Rumänien, Kroatien oder Zypern besuchen will, beantragt das Visum bei der entsprechenden Botschaft. Für alle anderen Länder gilt: Man benötigt ein „Schengen-Visum“. Wobei ein solches Schengen-Visum teilweise auch in den erstgenannten Ländern anerkannt wird; umgekehrt jedoch nicht. Verwirrend? Es geht doch gerade erst los!

Schengen-Visa werden von allen EU-Botschaften, außer den gerade genannten 6, ausgestellt. 28-6=22

Die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island sind Schengen-Länder ohne EU Mitglieder zu sein. Liechtenstein vergibt jedoch keine Visa, das erledigt die Schweiz im Auftrag. 4-1=3

Insgesamt also 25 Botschaften die Schengen-Visa ausgeben.

Zu welcher der 25 Botschaften geht man als Antragsteller?

Zunächst bestimmst Du, welches Schengen-Land Du „hauptsächlich“ besuchen willst. Ist die Antwort hierauf eindeutig, geht es zur Botschaft dieses Landes.
Planst Du hingegen eine Rundreise ohne Hauptaufenthaltsort, geht es zur Botschaft des Landes der „ersten Einreise“.

Hast Du die -theoretisch- korrekte Botschaft bestimmt, müssen Ausnahmen bedacht werden: Nicht jedes Land hat überall eine Botschaft, und nicht jede Botschaft hat überall eine Visaabteilung. Fällt „Deine“ Botschaft für Visaerteilungen aus, ist jeweils eine Ersatzbotschaft zugeordnet. Diese will gefunden werden.
Erwarte bloß nicht, dass immer versucht wird zu helfen. Erfahrungsgemäß versuchen Botschaften Antragsteller zu einer anderen „Abzuschieben“. Wer also Zweifel an der Zuständigkeit äußert, steht oft schnell wieder vor der Tür.

Hast Du die korrekte Botschaft gefunden, gilt es dort einen Termin zur Antragsstellung zu ergattern. Gesetzlich ist vorgesehen, dass ein Termin zur Antragsstellung „im Regelfall“ innerhalb von 6 Wochen verfügbar sein muss.

Meine persönliche Erfahrung aus den deutschen Botschaften Teheran, Beirut und Shanghai ist, dass Termine dort nur sehr selten innerhalb von 6 Wochen zur Verfügung stehen. Wer Lust hat, kann das auf den Webseiten der Botschaften nachschauen. Auf dem Schwarzmarkt kann man diese Termine eigenartigerweise kaufen, obwohl das Problem seit Jahren beim Auswärtigem Amt sowie den entsprechenden Botschaften bekannt ist (das wäre einen separaten Artikel Wert).

Zumindest in Beirut steht ganz öffentlich ein kleines Zelt wie ein Marktstand vor der deutschen Botschaft! Darüber gab es z.B. im Spiegel ausführliche Berichte; die Probleme sind trotzdem bis heute nicht gelöst. Es wird auf das Terminsystem bestanden; ausländische Touristen die auf solche „Spielchen“ keine Lust haben sind an der Tagesordnung. Reisen werden abgesagt; ich persönlich bin betroffen weil mein Schwiegervater für sich endgültig beschlossen hat sich diesem Affentheater nicht zu unterwerfen. Er wird die Wahlheimat seiner Tochter niemals besuchen, was mich wirklich traurig stimmt.

Hat man einen Termin, gilt es mit Hilfe von Unterlagen zu beweisen dass man eine Besuchsreise plant, also nicht endgültig am Zielort bleiben bzw. Asyl beantragen möchte oder Ähnliches. Kurzum gilt es die Eingangs erwähnte „Rückkehrwilligkeit“ zu belegen. Theoretisch sollten die Schengen-Botschaften einheitliche Nachweise verlangen, in der Praxis sind die verlangten Papiere jedoch sehr unterschiedlich.

Da sich für EU-Bürger solche Fragen fast nie stellen, und um die folgenden Praxis-Irrsinn-Beispiele zu verstehen, hier zunächst ein kleines Visa 1×1.:

 

Ein kleines Visa-Einmaleins

Grundsätzlich gibt es Visa für „einmalige“ oder „mehrmalige“ Einreise. Entsprechend oft darf man die Grenze überschreiten.
Visa haben einen Gültigkeitszeitraum sowie eine möglicherweise abweichende Gültigkeitsdauer:

  • der Gültigkeitszeitraum gibt an, von wann bis wann man grundsätzlich anwesend sein darf
  • die Gültigkeitsdauer gibt an, wieviele Tage man sich innerhalb des Gültigkeitszeitraumes höchstens aufhalten darf.
  • Beispiel: Zeitraum 01.Januar 2000 bis 30.Juni 2000 ; Dauer: 90 Tage ; einfache Einreise

In diesem Beispiel darf der Visainhaber ab dem 01.Januar 2000 einreisen, er muss spätestens am 30.Juni 2000 wieder ausreisen, er darf höchstens 90 Kalendertage bleiben, und er darf nur einmal in das Schengen-Gebiet einreisen

Beantragt man ein Schengen-Visum, muss man den Reisepass in der Botschaft lassen. Etwa 14 Tage später darf man des Pass wieder abholen. Erst dann erfährt man, ob das Visum genehmigt wurde. Keine Minute früher.

Man will einen Flug natürlich erst verbindlich buchen und bezahlen, wenn man auch weiss dass man fliegen darf. Entsprechend wünschen sich viele Menschen flexibel ausgestellte Visa, zumindest was den Gültigkeitszeitraum betrifft, damit man den relativ günstigsten Flug buchen kann.

Mit diesem Hintergrund, hier ein paar Beispiele des totalen Irrsinns (und wie andere Länder es besser machen):

Auf diesem Bild ist ein Ausschnitt eines Schengenvisums zu sehen

Gültigkeitszeitraum und Gültigkeitsdauer decken sich 1:1 mit den Antragsdaten

Beim Antrag für jedes Visum muss man natürlich angeben, von wann bis wann man voraussichtlich reisen möchte. Als meine Schwiegermutter uns das erste mal besuchen wollte, bekam Sie ein Visum ausgestellt welches exakt auf den beantragten Zeitraum beschränkt war. Vom 01.Mai bis 08.Mai; gültig für 8 Tage; einfache Einreise.

Ursprünglich war der Flug für diese Daten erschwinglich. Als wir das Visum jedoch 14 Tage später in Händen hielten und den Flug buchen wollten, hätte eine Verschiebung um einen Tag EUR 200 gespart. Buchen konnten wir den günstigen Flug mit dem Visum freilich nicht, so dass wir Geld zum Fenster rauswerfen mussten.

Hätte meine Schwiegermutter mit Hilfe von dem Visum einreisen und dann z.B. Asyl beantragen wollen, hätte sie dies tun können. Ich frage mich wirklich welche zusätzliche Sicherheit der hochheilige Schengen-Raum davon hat ein Visum derart idiotisch „genau“ zu beschränken? Genau: Gar keine!

Offensichtlich sind andere Länder meiner Meinung: Das hochattraktive Kanada stellt Visa entweder gar nicht, oder grundsätzlich für 6 Monate aus. Innerhalb dieser 6 Monate kann man dann problemlos planen wie man es für richtig hält. Welchen Nachteil hat Kanada davon? Ich kann ihn nicht erkennen!

 

Der IT-Techniker, der nicht(!) nach Deutschland ziehen will:
Ein mir bekannter türkischer IT-Spezialist arbeitet bei einer amerikanischen Firma in Ankara. Die Firma schickt ihn öfters für Kurzeinsätze in die Zweigstelle nach Frankfurt. Die Frankfurter Zweigstelle würde ihn am liebsten dauerhaft behalten und einstellen. Der deutsche Chef hat sich eigenmächtig zum Amt begeben um herauszufinden was er tun müsste, damit der Türke vor Ort bleiben darf. Der Chef konnte und durfte mit einem guten Angebot überraschen: Der Techniker bekommt eine „Blue Card“ für „Hochbegabte“, ein gutes Gehalt und darf auch seine Ehefrau mitbringen. Einziges Problem: Der Geworbene will aktiv in Ankara bleiben und hat keinerlei Interesse dauerhaft in Frankfurt zu leben.

Genau dieser Türke geht nun also zur deutschen Botschaft; den Termin hat die Firma zähneknirschend auf dem Schwarzmarkt gekauft. Hier beantragt er ein Visum zur „multiplen Einreise“ mit langem Gültigkeitszeitraum, um nicht für jede Reise extra zur Botschaft zu müssen. Immerhin kostet das jeweils einen Arbeitstag, außerdem könnte er mit dauerhaft gültigem Visum auch mal kurzfristig für die Firma einspringen wenn gerade Not am Mann ist.

Das „mehrfach“ Visum wurde mit der Begründung „Mißbrauchswahrscheinlichkeit“ abgelehnt.

Ich bitte zu beachten: Es handelt sich hier um eine Arbeitskraft welche Deutschland gut tun würde, der Steuern zahlen würde, der sogar ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen könnte. Diese Person reist auch so öfters nach Deutschland, leidet jedoch sinnlos unter den bürokratischen Hürden. Der einzige Grund warum sich diese Person nicht dauerhaft in Deutschland aufhält ist: Er will nicht.

Visa zur „multiplen“ Einreise werden normalerweise vergeben, wenn eine Person durch bereits mehrere Rückkehrten „bewiesen“ hat „würdig“ zu sein. In diesem Fall sind das bisher 12 erhaltene Einzelvisa, von denen 2 verfielen und 10 entsprechend der Laufzeit genutzt wurden.

 

Wo liegt da die „Mißbrauchsmöglichkeit“?

Ach ja: Einmal ist er zur Hauptfiliale in die USA zu einer Schulung gereist, wofür er natürlich ein US-Visum benötigte. Er beantragte es zur „einmaligen Einreise für 5 Tage“. Abweichend erhielt er: 10 Jahre multiple Einreise, Aufenthaltsdauer 90 Tagen pro Halbjahr, und den Hinweis dass man sich über einen Greencard-Antrag freuen würde, welchem voraussichtlich kurzfristig entsprochen würde, da man Arbeitskräfte wie ihn braucht und ihn gerne in den USA sehen würde.

Zusatzdetails:
US-Visa werden meistens sofort entschieden. Er ging in die Botschaft und kam eine Stunde später mit dem 10-Jahres-Visa wieder heraus.

Wird ein US-Visum mit langer Laufzeit ausgestellt, dann wird es mit der vorgesehenen Laufzeit in den aktuellen Pass geklebt. Läuft der aktuelle Pass aus, muss der Reisende einfach einen neuen gültigen Pass (ohne Visum) UND den abgelaufenen Pass mit dem noch gültigen Visum mitbringen. So einfach ist das.

Ringt sich der Schengen-Raum dazu durch ein langfristiges Visum zu vergeben, so ist die längste Laufzeit einerseits 5 Jahre, andererseits höchstens so lang wie der aktuelle Reisepass des Antragstellers gültig ist.

 

Immerhin sorgt der so sinnlos zusätzlich geschaffene Aufwand dafür, dass Antragstermine knapp bleiben damit das Termin-Schwarzmarktgeschäft nicht austrocknet.

 

Freizügigkeit und Schengen in chaotischer Wechselwirkung

Als EU-Bürger kann man, wie Eingangs besprochen, aufgrund der Freizügigkeit innerhalb der gesamten EU reisen, sich aber auch niederlassen.

Da die EU innereuropäische Mobilität fördern will, hat sie einige Klauseln in die Freizügigkeitsrichtlinie eingefügt welche es EU-Bürgern erlauben ihre Partner mitzunehmen, selbst wenn diese Drittstaater sind und eigentlich ein Visum bräuchten.

Innerhalb von Schengen ist dies problemlos durchsetzbar, weil man einfach reist und im Zweifel ohnehin nicht kontrolliert wird.

Ich habe jedoch einige Zeit zusammen mit meiner libanesischen Ehefrau in der Republik Irland gewohnt, welche kein Schengen-Land ist. Für mich als EU-Bürger heisst das bei Reisen von Irland in meine Heimat Belgien: Ich muss meinen Personalausweis an der Grenze vorzeigen, da ich zwischen einem „Schengen“ und einem „nicht-Schengen“ Land reise.

Absurd I: Aufgrund der „Partner“-Regelungen, darf ich meine Frau ohne Visum mit nach Belgien nehmen. Dummerweise kennen die Fluglinien diese Regeln nicht (welche meine Frau dann nicht ins Flugzeug lassen), und auch den Grenzbeamten sind diese Regeln in den allermeisten Fällen unbekannt.

Absurd II: Wenn man mehrfach fast am Flughafen hängengeblieben ist und Diskussionen mit Zollbeamten hatte die ein separates Buch füllen könnten, wünscht man sich irgendwann für den Partner ein Visum. Nicht weil man es haben muss, sondern nur damit man auch in der Praxis problemlos reisen kann. Dummerweise ist es so, dass man ein Visum nur beantragen kann wenn man es auch benötigt. Nennt man also in der Botschaft den -wie ich finde validen- Grund warum man in diesem Fall lieber ein Visum hätte, wird dieses mit der Begründung abgelehnt dass man -rechtlich gesehen- keines benötigt.

Absurd III.: Visafrei darf meine Frau mich nur „begleiten“; also mit mir zusammen reisen. Will sie alleine Reisen, braucht sie doch ein Visum. Will sie dieses beantragen, muss sie plötzlich wieder ihre „Rückkehrwilligkeit“ nachweisen. Wohlgemerkt die Rückkehrwilligkeit in ein anderes EU-Land. Die Rückkehrwilligkeit muss also nachgewiesen werden, obwohl sie mit mir zusammen jederzeit sogar zur Niederlassung in den Schengen-Raum umziehen dürfte.

Absurd IV: Um endlich problemlos reisen zu können, haben wir also ein Visum für die „alleinige“ Reise meiner Frau in den Schengen-Raum beantragt. Natürlich wollten wir dieses zur „multiplen Einreise“ und für einen möglichst langen Zeitraum. Dies wurde, wie sollte es anders sein, mit der Begründung „Mißbrauchsgefahr“ abgelehnt und nur zur einmaligen Einreise ausgestellt. Danach haben wir uns halt wieder mit Fluggesellschaft und Grenzern gezofft. Diese EU-Vorgaben sind wirklich Klasse um sinnlos Personal zu binden!

Zusammenfassung: Meine Frau darf kein Visum beantragen, weil sie theoretisch keines braucht. Leider weiß das in der Praxis niemand, so dass man nur problemlos reisen kann wenn man unter Falschangaben (alleinige Reise) ein eigentlich nicht benötigtes Visum beantragt; dieses wird dann aber wieder restriktiv gehandhabt weil man es ja mißbrauchen könnte(?), obwohl man eigentlich gar keines braucht. (Ich habe diesen Absatz 10 mal korrektur gelesen – es stimmt genau wie beschrieben!)

„Von hinten durch die Brust ins Auge“ ist da ein wohlwollend formulierter Vergleich:

 

Nicht-EU-Schengen-Länder und Freizügigkeit in chaotischer Wechselwirkung

Die Details der folgenden wahren Gegebenheit sind so fein und unglaublich, man würde hoffen es wäre ein Irrtum oder Scherz, leider jedoch nicht. Die folgende Reise brachte eine mir bekannte Dame beinahe in Abschiebehaft:

Wir haben schon einige Details gelernt, wovon wir nun einige sehr spezielle nochmals ausdrücklich hervorheben. Es geschah im August 2010:

  • Das Vereinigte Königreich ist (noch) Mitglied der EU; jedoch kein Schengen-Mitglied
  • Die Schweiz ist kein Mitglied der EU; jedoch Schengen-Mitglied
  • Österreich ist sowohl Mitglied der EU als auch in Schengen

Herr X, Bürger der Vereinigten Königreiches, und seine Ehefrau Y, Libanesin, planen einen Wochenendausflug von ihrem Wohnsitz in London(UK) nach Wien(Österreich). Da die beiden diesen Artikel nie gelesen haben, kontaktieren sie die österreichischen Botschaft um ein Visum für Y zu beantragen. Sie werden darauf hingewiesen dass Y als Ehefrau des X kein Visum benötigt, da sie „abgeleitet Freizügigkeitsberechtigt“ ist, und somit für Österreich kein Visum benötigt.

Nun wird ein Flug gebucht, wobei sich zufällig ein Flug von London über Zürich nach Wien als der kostengünstigste herausstellt. Es wird gebucht, in Zürich muss nur umgestiegen werden.

Abflug London, selbst die Fluggesellschaft sieht kein Problem, der Einstieg wird gewährt.

Ankunft Zürich, wo doch eigentlich nur umgestiegen werden soll: Da Zürich der erste Schengen-Flughafen ist, und der Weiterflug in ein Schengen-Land geht, muss in Zürich die Schengen-Passkontrolle durchlaufen werden. Dies entspricht einer Einreise in die Schweiz, selbst wenn nur umgestiegen werden soll. Hier stellt sich das unerwartete Problem, dass die Freizügigkeitsrichtlinie zwar für den EU-Zielort Wien gilt, jedoch nicht für das nicht-EU-Land Schweiz. Nach einigen Diskussionen wird die Dame „ausnahmsweise“ durchgelassen, aber nur wenn sie bestätigt den Flug nach Österreich auch tatsächlich zu nehmen und danach nicht nochmals ohne Visum in die Schweiz zurückkehrt.

So ergibt sich das Problem des Rückfluges, da dieser bereits über Zürich gebucht ist.

Anstatt das Wochenende in Wien geniessen zu können, versuchen die beiden in Wien ein Schengen-Visum oder ein nationales Schweizer Visum zu organisieren! Merke: Man kann sich völlig legal ohne Visum im Schengen Raum aufhalten, und trotzdem ein Schengen-Visum benötigen. Was nun die Schweiz davon hat auf ein solches Visum zu bestehen, steht in den Sternen. Würde die in Frage stehende Dame illegal in die Schweiz einreisen wollen, könnte sie das ab Österreich problemlos tun. Sie könnte, mangels Kontrollen, sowohl über Land als auch mit dem Flug ab Wien nach Zürich einreisen und dann in der Schweiz untertauchen. Das ganze ist also eine Formalitätenposse erster Güte!

In diesem Falle ging es gut aus, weil die Schweizer Botschaft in Wien mit der Grenzwache am Zürcher Flughafen telefonierte, und eine weitere „Ausnahme“ erwirken konnte. Eine solche Aktion muss natürlich nicht immer so glimpflich ablaufen.

Weitere Beispiele für Verwirrung und Chaos gibt es en Masse:

  • Andorra: Von Schengen umgeben, aber weder Schengen- noch EU-Mitglied, und das Land hat keinen Flughafen
  • Schengen-Visa mit Ausnahmeregelungen, z.B. dass diese für einzelne Schengen-Länder nicht gültig sind
  • Die deutsche Insel Helgoland gehört nicht zum Schengen-Raum
  • Statt beantragtem Schengen-Visum erhält man in seltenen Fällen plötzlich „nationale Visa“

Lösungen für Visa in der Europäischen Union

Jedes dieser Beispiel könnte um Seiten aufgebläht werden, aber kommen wir lieber zu möglichen Lösungen:

 

Wäre die EU bzw. Schengen ein Unternehmer der Touristen für sich begeistern wollte, müssten meines Erachtens die folgenden Punkte umgesetzt werden:

 

Es muss in jedem Land in dem Schengen-Visa beantragt werden können ein einheitliches Beantragungszentrum eingerichtet werden. Das aktuelle Botschaften-Zuständigkeits-Gewirrwar wäre so passé.

Visa sollten ohne Termin beantragt werden können. Die Verknappung durch Termine sorgt nur dafür, dass Visa gar nicht beantragt werden (können). Natürlich müssen dafür Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden, aber insgesamt sollte das Antragsvolumen durch diese Maßnahme nicht steigen. Falls doch, zeigt dies nur bisherige Unzulänglichkeiten.

Visa sollten grundsätzlich, siehe Kanada, ein halbes Jahr flexibel um den beantragten Zeitraum herum gelten. Dass Visa exakt auf wenige Tage begrenzt ausgegeben werden bringt dem Staat keinerlei zusätzliche Sicherheit, beeinträchtigt jedoch mögliche Besucher erheblich.

Die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Gesetzen/Konzepten müssen aufgelöst werden. Z.B. könnte Angehörigen von EU-Bürgern ein separates Dokument ausgestellt werden, welches ohne Weiteres zur Einreise in die gesamte EU berechtigt. NB: Diese Einreise ist jetzt schon vorgesehen, erlaubt und möglich, jedoch nicht durch ein einfaches, einheitliches Dokument belegbar. Dadurch tauchen immer wieder sinnlose Praxisprobleme auf. Diese Probleme kosten Zeit, Geld und Nerven, bringen jedoch keinerlei Sicherheitszuwachs, da die betroffenen Personen ohnehin einreisen dürfen.

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Caroline Krause

Author Caroline Krause

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